Digitaler CFO. «Vision oder bereits Alltag?»

10. Dezember 2025 - 
Digitalisierung

Die Digitalisierung verändert das Finanz- und Rechnungswesen in hohem Tempo. Neue Technologien, automatisierte Abläufe und Echtzeitdaten stellen Treuhänder vor neue Aufgaben und eröffnen gleichzeitig grosse Chancen. Im Gespräch erläutern Markus Naef, CEO von bexio, und Roland Koch, Treuhandexperte, Co-Founder von leanrun und bexio-Partner der ersten Stunde, wie sich die Rolle des digitalen CFO entwickelt und welche Kompetenzen künftig im Mittelpunkt stehen.

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Digitalisierung und Automatisierung verändern das Finanz- und Rechnungswesen tiefgreifend. Viele KMU nutzen digitale Tools, um ihre administrativen Abläufe zu vereinfachen. Damit verschiebt sich auch die Rolle der Treuhänder. Die klassische Funktion als reine Buchhaltungsstelle wird zunehmend durch automatisierte Prozesse ergänzt oder ersetzt. Gefragt sind künftig Fachpersonen, die digitale Technologien nutzen, Unternehmen strategisch begleiten und als externe digitale CFOs agieren.
Im Interview erläutern Markus Naef, CEO von bexio, und Roland Koch, Co-Founder von leanrun, wie sich diese Entwicklung bereits heute zeigt und warum Treuhänder in diese erweiterte Rolle hineinwachsen müssen, um die Erwartungen ihrer Mandanten in einem digital geprägten Umfeld zu erfüllen.

Was verstehen Sie unter einem digitalen CFO und welche Fähigkeiten und Kompe-tenzen braucht er oder sie, um diese Rolle erfolgreich auszufüllen?

Markus Naef: Die Treuhandbranche befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Aus meiner Sicht wird sich die Rolle der Treuhänder deutlich erweitern. Die reine Aufarbeitung vergangener Finanzdaten reicht künftig nicht mehr aus. Gefragt sind Fachpersonen, die digitale Werkzeuge und Echtzeitinformationen nutzen, um Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und konkrete Empfehlungen abzuleiten. Treuhänder übernehmen im KMU-Umfeld zunehmend die Funktion des digitalen CFO. Ihre Nähe zu den Finanzdaten und Prozessen macht sie dafür besonders geeignet. Ein digitaler CFO unterstützt Unternehmen dabei, Entscheidungen schneller, sicherer und daten-basiert zu treffen. Damit entsteht ein klarer Mehrwert, der den langfristigen Geschäftserfolg stärkt.

 

Wenn Sie an Ihre Mandanten denken: Wie hoch schätzen Sie den Anteil der Tätigkeiten, die heute bereits digital ablaufen. Und in welchen Bereichen sehen Sie noch den grössten Nachholbedarf?

Roland Koch: Betrachte ich den gesamten KMU-Markt, fällt die Digitalisierungsquote eher niedrig aus. Bei unseren eigenen Mandanten hingegen sieht es deutlich anders aus. Wir haben früh auf bexio und damit auf digitalisierte Prozesse gesetzt. Entsprechend schätze ich die Quote bei rund 95 Prozent. Die Kombination aus bexio und kontera (Anmerkung der Redaktion: kontera wurde im Oktober 2025 durch bexio übernommen) unterstützt uns massiv in der automatisierten Belegverarbeitung und Buchhaltung. Die manuelle Datenerfassung reduziert sich damit auf ein Minimum. Den grössten Nachholbedarf sehe ich in der durchgängigen Prozessautomatisierung. Besonders die Verarbeitung eingehender Dokumente birgt noch grosses Potenzial, Fehler zu reduzieren und wertvolle Zeit zu sparen.

 

Welche Prozesse sind heute entscheidend, damit ein CFO digital arbeiten kann, und wo sehen Sie die grössten Effizienzgewinne?

Markus Naef: Die grössten Effizienzgewinne entstehen dort, wo Routineaufgaben wie Buchhaltung oder Rechnungsverarbeitung umfassend automatisiert werden. Dies schafft freie Kapazitäten, die sich Treuhänder für Aufgaben einsetzen können, für die sie eigentlich ausgebildet sind. Dazu gehören die strategische Beratung und die Erstellung von Echtzeit-Prognosen.
Diese Entwicklung stärkt die Position des Treuhänders. Er wird nicht mehr nur als Dienstleister wahrgenommen, sondern als externer digitaler CFO, der die Finanzfunktion aktiv begleitet und mitgestaltet. Der digitale CFO analysiert Entwicklungen nicht erst im Nachhinein, sondern in Echtzeit und wirkt aktiv auf unternehmerische Entscheidungen ein.

 

Viele Anbieter digitaler Lösungen versprechen Automatisierung und Vereinfachung. Wo sehen Sie in der Praxis die grössten Hürden, die Unternehmen noch überwinden müssen?

Markus Naef: Die grösste Hürde liegt oft nicht in der Technologie, sondern im Mindset. Viele Mitarbeitende halten an vertrauten, manuellen Abläufen fest. Erst wenn diese kulturelle Barriere überwunden ist, kann Automatisierung ihr volles Potenzial entfalten.
Dazu kommen technische Herausforderungen wie die Integration cloudbasierter Lösungen in bestehende Systeme und die Sicherstellung einer hohen Datenqualität. Unternehmen müssen daher sowohl in die Mitarbeitenden als auch in ihre Systemlandschaften investieren, um die versprochenen Effizienzgewinne tatsächlich zu realisieren.

 

Welche Hürden sehen Sie bei Ihren Mandanten und den Tools, die Ihre Mandanten einsetzen?

Unsere Mandanten sind sehr cloudaffin und arbeiten bereits intensiv mit modernen Web-Apps. Dennoch zeigt sich, dass viele KMU-Lösungen für Standardszenarien zwar hervorragend geeignet sind, im Controlling jedoch an Grenzen stossen. Gleichzeitig sind ältere Systeme oft nur schwer in neue Lösungen integrierbar.
Das führt dazu, dass Treuhänder nach wie vor zu viel Zeit für Datenbereinigung und Adminis-tration aufwenden müssen. Die Lösung liegt in der konsequenten Integration von Prozessen und in der Qualifizierung der Mitarbeitenden für datenbasierte, strategische Analysen. Erst dann entsteht echter Mehrwert.

 

Wie verändert sich durch den Einsatz digitaler CFO-Lösungen die Zusammenarbeit zwischen Geschäftsleitung, Treuhänder und externen Partnern?

Markus Naef: Die Zusammenarbeit wird deutlich proaktiver. Statt reaktiv Daten bereitzustellen, arbeiten alle Beteiligten in Echtzeit mit denselben Informationen. Der Unternehmer oder die Geschäftsleitung erhält strategische Einblicke unmittelbar. Der Treuhänder wird von manuellen Tätigkeiten entlastet und kann sich stärker auf hochwertige Beratungsleistungen konzentrieren.
Diese Veränderungen führen dazu, dass die Treuhandstelle zunehmend eine Funktion übernimmt, die in grösseren Unternehmen typischerweise von einem internen CFO wahrgenommen wird. Das Ergebnis ist eine höhere Transparenz und eine agilere Finanzkommunikation innerhalb des Unternehmens sowie gegenüber externen Partnern.

 

Welche Anforderungen stellen Ihre Mandanten an Sie als Treuhänder, wenn es darum geht, die Digitalisierung im Finanz- und Rechnungswesen voranzubringen?

Roland Koch: Unsere Mandanten erwarten zunehmend, dass wir sie nicht nur buchhalterisch unterstützen, sondern sie aktiv durch digitale Transformationsprozesse begleiten. Dazu gehören die Auswahl moderner Cloud-Tools, deren effiziente Einführung und die Gestaltung durchgängiger Accounting-Prozesse.
Darüber hinaus erwarten unsere Mandanten auch, dass wir diese erweiterte Rolle ausfüllen und ihnen als externe digitale CFOs zur Seite stehen. Vorausschauende Handlungsempfehlungen, fundiert auf digital verfügbaren Daten, gehören daher immer stärker zum Kern unseres Berufsbildes.

 

Tools wie bexio gelten als einfach und benutzerfreundlich. CFOs im KMU-Umfeld kritisieren jedoch häufig die starke Standar-disierung und fehlende Schnittstellen. Wie reagieren Sie auf diese Rückmeldungen?

Markus Naef: Die Kritik an der Standardisierung ist nachvollziehbar. bexio ist auf die zentralen Bedürfnisse von Kleinunternehmen ausgerichtet und deckt nicht alle Anforderungen eines komplexen CFO-Setups ab. Genau deshalb positionieren wir bexio als automatisierte Datenquelle, die zuverlässig Finanz- und Buchhaltungsdaten liefert.
Für weitergehende Analysen empfehlen wir ergänzende Lösungen über Schnittstellen oder APIs. Dazu gehören spezialisierte Planungs-tools oder Business Intelligence Anwendungen aus dem bexio Marketplace. Eine gut abgestimmte Strategie kombiniert eine Lösung wie bexio für standardisierte Prozesse mit ergänzenden Tools für individuelle Analysen. So entsteht ein System, das effizient, flexibel und für KMU wirtschaftlich sinnvoll ist.

 

Künstliche Intelligenz wird im Finanzbereich intensiv diskutiert. Wo sehen Sie für den digitalen CFO konkrete Einsatzmöglichkeiten und wo bestehen heute noch Grenzen?

Markus Naef: KI bietet insbesondere dort Mehrwert, wo repetitive Aufgaben automati-siert oder präzise Prognosen erstellt werden. Ein digitaler CFO kann damit Trends schneller erkennen und strategische Entscheidungen besser vorbereiten.
Die endgültige Verantwortung bleibt jedoch klar beim Menschen. KI liefert Analysen, ersetzt aber nicht das unternehmerische Urteilsvermögen. Diese Grenze ist heute deutlich sichtbar.

 

Wenn Sie fünf Jahre in die Zukunft blicken: Welche Entwicklungen im Bereich digitaler CFO werden für KMU in der Schweiz am prägendsten sein?

Markus Naef: In fünf Jahren wird die Routinebuchhaltung in vielen Schweizer KMU weitgehend automatisiert sein. Das verschafft Treuhändern die Möglichkeit, sich konsequent als externe, proaktive CFOs as a Service zu positionieren.
Besonders prägend wird die Etablierung prädiktiver Analysen sein. Durch KI-gestützte Prognosen können KMU wesentlich agiler und vorausschauender agieren. Treuhänder werden dadurch zu zentralen Partnern für die Finanzführung und prägen die CFO-Funktion im KMU-Umfeld zunehmend selbst.

Fazit

Das Interview zeigt klar, dass die Digitalisierung das Berufsbild im Finanz- und Rechnungswesen nachhaltig verändert. Moderne Technologien schaffen neue Effizienzgewinne und ermöglichen Treuhändern, Entscheidungen immer stärker auf Echtzeitdaten abzustützen. Damit dieser Wandel gelingt, braucht es jedoch nicht nur technologische Lösungen. Entscheidend ist ein offenes Mindset, das bestehende Abläufe hinterfragt und Raum für neue Arbeitsweisen schafft.
Für Treuhänder entsteht dadurch die Chance, ihre Rolle weiterzuentwickeln und Mandanten noch stärker als strategische Partner 
zu begleiten. Einen praxisnahen Einblick in die ersten Schritte bietet ein gemeinsamer Blogbeitrag von Roland Koch und bexio mit konkreten Tipps für den erfolgreichen Einstieg in die Rolle des digitalen CFO. Dieser Beitrag erscheint bald auf der Website von TREUHAND|SUISSE.

Weitere Infos zu bexio finden Sie hier.

Zur Person

Markus Naef ist seit Mai 2022 CEO der bexio AG aus Rapperswil, der führenden Schweizer Business-Software für KMU. Mit über 25 Jahren Erfahrung in der Gründung und Leitung verschiedener Start-Ups und Innehaben von Führungspositionen in internationalen Unternehmungen bringt er eine umfangreiche Expertise in seine Position ein. Nebst der CEO-Tätigkeit bekleidet Naef diverse (VR-)Mandate.

Markus Naef
Roland Koch

Roland Koch kombiniert das Fachwissen als dipl. Treuhandexperte mit der technischen DNA eines Informatikers (NDS FH). Er ist Experte für Lean Accounting und hat die Value Stream Accounting Methode weiterentwickelt, um Startups und KMU finanzielle Klarheit zu schaffen. Nach ihm müssen Finanzprozesse nicht nur stimmen, sie müssen so optimiert und agil sein wie die Unternehmer:innen, die er als strategischer Sparringspartner begleitet.

Bezahltes Sponsoring-Interview. Die Fragen wurden von TREUHAND|SUISSE vorgegeben.

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